Waffenrecht 2012 – DSB-Vizepräsident Jürgen Kohlheim im Interview
Die waffenrechtlichen Vorhaben und Überlegungen in einigen Parteien und Bundesländern haben zu einer Vielzahl von Anfragen der DSB-Mitglieder – auch in Form von Serienmails – geführt, in denen die Sorge vor weiteren Verschärfungen des Waffenrechts und sonstigen Bestrebungen ausgedrückt wird, die die Ausübung des Schießsports weiter beschränken wollen. Gleichwohl war der Deutsche Schützenbund nicht untätig, er arbeitet intensiv für seine Mitglieder und den Schießsport. Der Vizepräsident und Waffenrechtsexperte des DSB, Jürgen Kohlheim, bezieht in einem ausführlichen Interview Stellung.
Was unternimmt der Deutsche Schützenbund derzeit ganz konkret?
Zunächst schicke ich voraus: Der Deutsche Schützenbund und alle seine verantwortlichen Repräsentanten sehen mit Sorge die vielfältigen Bestrebungen mancher Parteien und Politiker, den Schießsport durch weitere Restriktionen zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen. Wir beobachten sehr genau, welche Forderungen hier aus einzelnen Bundesländern und von manchen Politikern erhoben werden und reagieren gemeinsam mit den zunächst berufenen Landesverbänden auf diese Angriffe gegen das Schützenwesen.
Beispielsweise ist es uns gelungen, die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des Fachbeirates "Schießsport" beim Bundesministerium des Innern zu erreichen. Noch im alten Jahr haben wir uns dazu an den zuständigen Fachminister gewandt, so dass sich der Deutsche Schützenbund, wie auch alle anderen im Fachbeirat vertreteten anerkannten Schießsportverbände, zum wichtigen Punkt der Genehmigung von Schießsportordnungen, die zur Zeit seitens des Bundesverwaltungsamtes nicht erteilt werden, unmittelbar einbringen kann. Wir erwarten in Kürze die Einberufung des Beirats.
Grundsätzlich nutzen wir jede Möglichkeit, in vielen Gesprächen und Stellungnahmen mit der Politik unsere Sachargumente für den Schießsport geltend zu machen. Dass wir Schützen gute Argumente für die Ausübung des Schießsports in der jetzigen Form geltend machen können, sollte allen Schützinnen und Schützen bewusst sein. Und: Die Schützinnen und Schützen in Deutschland können stolz sein auf ihren Sport und die damit verbundene, jahrhundertealte Tradition. Unzählige Medaillen haben deutsche Sportschützen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften errungen. Und der ehrenamtliche Einsatz unserer Vereinsmitglieder für Gesellschaft und Gemeinwohl ist herausragend.
Leider müssen wir vielfach erleben, dass gegenüber bewussten Falschdarstellungen in den Medien und vorgefassten Vorurteilen mancher Politiker und Medien das Sachargument nicht zählt. Dennoch tun wir gemeinsam mit den im Forum Waffenrecht zusammengeschlossenen Verbänden alles uns Mögliche, den olympischen wie nicht olympischen Schießsport in seinen vielen Facetten ehrlich und offen darzustellen. Wir sind davon überzeugt, dass die gegen den Schießsport gerichteten Angriffe letztlich keinen Erfolg haben werden.
So prüfen wir in jedem Einzelfall sehr sorgfältig, ob eine Erwiderung oder eine Gegendarstellung im Sinne unserer Mitglieder möglich und sinnvoll ist. In den vergangenen Jahren ist uns dies bereits in mehreren Fällen gelungen, entsprechende Richtigstellungen an die zuständigen Redaktionen zu richten und sogar deren Veröffentlichung zu erreichen.
Blicken wir nach Bremen, hier ist die Einführung einer sogenannten Waffensteuer im Gespräch.
Auch hier haben wir uns natürlich für unsere Mitglieder und ihre schießsportlichen Disziplinen frühzeitig eingebracht. Wir als Deutscher Schützenbund wollen die Interessen der Schützen angemessen vertreten. Bereits im vergangenen Jahr habe ich in einem Schreiben die Argumente des Deutschen Schützenbundes dargelegt. Und im Februar hat der Deutsche Schützenbund die Gelegenheit, mit SPD-Fraktionsvorsitzenden Tschöpe direkt zu sprechen. Diese Gelegenheit werden wir gerne nutzen, um die vielen offenen Sachfragen eingehend zu erörtern - aber ich will diesem Gespräch natürlich nicht vorgreifen.
Dabei möchte ich - erneut - darauf hinweisen, dass die Position des Deutschen Schützenbundes zur Frage eines Großkaliberverbotes ebenso klar wie unmissverständlich ist: Auf der Basis der bereits 2009 veröffentlichten "Lübecker Erklärung" steht der Deutsche Schützenbund in vollem Umfang und ohne Wenn und Aber zu allen von ihm angebotenen Schießdisziplinen. Diese Position werden wir auch weiterhin aktiv vertreten. Dies hat Präsident Ambacher anlässlich der Feierstunde zum 150-jährigen Bestehen des Deutschen Schützenbundes in Gotha im Sommer vergangenen Jahres im Übrigen auch vor Bundesinnenminister Friedrich ausdrücklich unterstrichen.
Ferner arbeitet der Deutsche Schützenbund in Fragen des Waffenrechts seit vielen Jahren mit dem Forum Waffenrecht und den darin zusammengeschlossenen Verbänden zusammen. Diese Kooperationen bringen unseren Mitgliedern und ihrem Sport erhebliche Vorteile. Wir setzen uns seit vielen Jahren offen, sachorientiert und erfolgreich für die Interessen unserer Mitglieder ein, so dass es weiteren Interessensorganisationen aus unserer Sicht nicht bedarf.
Und noch etwas möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen: Bereits in der Vergangenheit hat sich der Deutsche Schützenbund erfolgreich gegen Bestrebungen von einigen Städten (z.B. in Stuttgart, Mannheim, Iserlohn) und Kreisen zur Einführung einer Waffensteuer eingesetzt, dies unter anderem mit Hilfe des Gutachtens von Professor Dr. Dietlein. Dieses Gutachten wurde u.a. vom Deutschen Schützenbund initiiert und ist selbstverständlich nach wie vor auf unserer Homepage einsehbar. Wir werden jedenfalls die Interessen unser 1,4 Millionen Mitglieder weiterhin gewissenhaft und sachorientiert vertreten und aktiv unsere Stimme für die Mitglieder und alle ihre schießsportlichen Disziplinen erheben.
Was rät der Deutsche Schützenbund seinen Mitgliedern in den Landesverbänden, Kreisen und Vereinen?
Unserer Meinung nach können die Schritte zu einer wieder erstarkten Akzeptanz des Schießsports in der Öffentlichkeit nur parallel erfolgen: Notwendig ist einerseits die Arbeit auf der überregionalen politischen Ebene und andererseits vor allem auf der lokalen gesellschaftlichen Ebene. Der Öffentlichkeit muss wieder ein positives Gefühl gegenüber Schützen- und Bogensportvereinen vermittelt werden. Entscheidend dafür ist aber, wie sich der Verein vor Ort in seiner Gemeinde präsentiert und darstellt. Hierzu gehört insbesondere auch, der Öffentlichkeit zu zeigen, welche vielfältigen und interessanten Disziplinen und Sportarten unser Verband zu bieten hat. Nur so kann es uns allen gemeinsam gelingen, weit verbreitete Vorurteile und Unkenntnis zu korrigieren, die oftmals – geschürt von manchen Medien – auf einer irrationalen Hoplophobie (Angst vor Schusswaffen bzw. Angst vor bewaffneten Bürgern, Anm. d. Red.) beruhen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf die erheblichen sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Leistungen, die von den Schützenvereinen für unser Gemeinwohl ausgehen, hinzuweisen. Dieses Engagement ist heute keinesfalls mehr selbstverständlich und geht weit über die bloße Ausübung eines Sports hinaus. Nicht umsonst geht das geflügelte Wort der "Schützenhilfe" auf uns Schützen zurück!
Unsere Mitglieder können sicher sein, dass der Deutsche Schützenbund auch in Zukunft alles daran setzen wird, dass wir alle unseren gemeinsamen Sport in seiner jetzigen Form ausüben können. Wir sind fest davon überzeugt, dass uns dies gelingen wird – sachlich, besonnen und mit Mitgliedern, die Ihren Sport überzeugend und aufgeschlossen vertreten. Wichtig ist dabei natürlich auch, dass wir abgestimmt und geschlossen auftreten. Alleingänge einzelner Mitglieder schaden mehr als sie nützen!
Eine hervorragende Gelegenheit, die Vielfalt des Schießsports in Deutschland zu präsentieren, wird das bundesweite "Wochenende der Schützenvereine" im DSB. Jedem, dem der Schießsport am Herzen liegt, sollte sich daran beteiligen. Termin ist der 6. und 7. Oktober 2012, alle Informationen finden sich in Kürze unter www.ziel-im-visier.de.
Nun zu den wichtigen Einzelfragen aus waffenrechtlicher Sicht: Beginnen wir mit dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Herr Kohlheim. Wie ist hier der Sachstand?
Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat am 9.11.2011 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes in den Bundestag eingebracht, nach dem die bisherigen Regelungen zu den halbautomatischen Anscheinswaffen geändert werden sollen. Es soll der Umgang mit halbautomatischen Schusswaffen verboten werden, die - und dies ist wichtig - den Anschein einer vollautomatischen Kriegswaffe erwecken und zum Schießsport bzw. zur Jagd entweder nicht geeignet oder zumindest "nicht erforderlich sind". Damit will man der Gefahr eines Missbrauchs begegnen.
Was bedeutet das konkret?
Dieser Antrag der Grünen will im Grunde den alten § 37 des Waffengesetzes wieder einführen, den die damalige Koalition aus SPD und Bündnis90/Die Grünen sinnvollerweise abgeschafft hatte, vor allem, weil aufgrund der unklaren Begriffsbestimmungen für den Bürger nicht erkennbar war, ob er etwas Erlaubtes oder etwas Verbotenes tat, wenn er mit solche Waffen umging. Für diesen Antrag scheut sich die Fraktion nicht, den menschenverachtenden Massenmord auf der Insel Utøya in Norwegen für die Durchsetzung ihrer waffenrechtlichen Forderungen zu instrumentalisieren, während man in Norwegen trauert und besonnen auf das Massaker reagiert.
Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 19.1.2012 diesen Antrag beraten und zur weiteren Behandlung an die Ausschüsse verwiesen (s. Protokoll S. 18282, Anm. d. Red.)
Im Übrigen wurde die Problematik der wie Kriegswaffen aussehenden Waffen (Anscheinswaffen) schon lange diskutiert. Dies liegt weit vor dem jetzigen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Damals haben sich alle anerkannten Schießsportverbände einer Ächtungskampagne angeschlossen. Unsere damalige Aussage ist auch heute noch richtig. Wir wollen als Sportschützen mit Sportwaffen schießen und setzen uns gemeinsam mit den anderen anerkannten Schießsportverbänden hierfür ein. Wir wollen allerdings nicht, dass Kriegswaffenimitate für das sportliche Schießen benutzt werden und empfehlen unseren Vereinen, diese auf ihren Schießständen nicht zuzulassen. Für das Schießen mit solchen Waffen besteht nach unserer Auffassung kein Bedarf.
Wie ist also die Haltung des Deutschen Schützenbundes zu diesem Antrag?
Unabhängig von dieser gemeinsamen Ächtungskampagne aus dem Jahr 2005 werden wir uns gegen den Antrag von Bündnis90/Die Grünen positionieren, weil dieser unter rechtlichen Gesichtspunkten mehr Probleme aufwirft als löst und zudem erkennbar von sportschützenfeindlichen Auffassungen getragen ist, ohne allerdings eine Petition gegen diesen Antrag zu unterstützen.
Ein weiteres Thema, das momentan kontroverse Diskussionen auslöst, ist die sogenannte Waffensteuer. Wie ist hier der Sachstand?
Zunächst müssen wir das Thema in seiner ganzen Breite betrachten: Bereits im Koalitionsvertrag zwischen der SPD und Bündnis90/Die Grünen haben die in der Bremer Bürgerschaft mit Mehrheit regierenden Parteien Aussagen zu einer Verschärfung des Waffenrechts getroffen (Prävention, Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung, S. 93, Anm. d. Red.). Wörtlich heißt es dort: "Auch wenn ein Großteil der Straftaten mit illegalen Waffen verübt wird, so wurden in der Vergangenheit nicht nur bei Amokläufen an deutschen Schulen viele Menschen auch durch legale, aber ungesicherte, Waffen verletzt oder sogar getötet. Im Waffenrecht werden wir deshalb versuchen, über den Bundesrat ein Verbot großkalibriger Waffen – auch für Sportschützen – herbeizuführen. Darüber hinaus werden wir zur effektiveren Sicherung von Sport- und anderen privaten legalen Waffen eine Initiative ergreifen, endlich die technisch bereits ausgereifte digitale Sicherung von Waffen auf dem Verordnungs- und Gesetzeswege mit der manuellen Sicherung, zum Beispiel durch Waffenschränke, gleichzustellen. Um die nach dem Waffengesetz erforderlichen Kontrollen von Waffenbesitzern effektiver als bisher durchführen zu können, wollen wir die Waffenbesitzer zur Erstattung des mit den Kontrollen verbundenen Personal- und Sachaufwands heranziehen."
Wer sich also eine Meinung zu den waffenrechtlichen Vorstellungen der Parteien in Bremen bilden will, mag auch die Protokolle der 73. und der 75. Sitzung der Bremer Bürgerschaft im Jahre 2010 lesen, in denen (Tagesordnungspunkte 3 und 8 bzw. 1 und 2, Anm. d. Red.) verschiedene waffenrechtliche Fragen abgehandelt werden, die die Einstellungen der Politik in Bremen deutlich werden lassen.
Mit mehreren Initiativen versucht nun die SPD-Bürgerschaftsfraktion ihre waffenrechtlichen Vorstellungen in der Bremer Bürgerschaft einzubringen und durchzusetzen.
Dazu gab es einen Antrag der SPD in Bremen ...
Ein Antrag der SPD-Bürgerschaftsfraktion will zum einen den maroden Haushalt des Bundeslandes sanieren und zum anderen den Lenkungszweck verfolgen, den legalen Besitz von Schusswaffen zu reduzieren. Als Allheilmittel für diese beiden Zwecke schlägt die SPD die Erhebung einer "Waffensteuer" für Sportschützen und Jäger in Höhe von 300 Euro pro Waffe und Jahr vor. Damit sollen bei ca. 18.300 legalen Waffen in Bremen etwa 5 Millionen Euro im Jahr erzielt werden. Um es vorweg zu nehmen: Der Deutsche Schützenbund hält ein solches Vorhaben für verfassungswidrig. Der Bund der Steuerzahler teilt im Übrigen unsere Einschätzung.
Womit wird dieser Vorstoß begründet und wie schätzt ihn der Deutsche Schützenbund ein?
Als Begründung dient die Behauptung, dass in Deutschland in den letzten 20 Jahren über 100 Menschen mit legal besessenen Schusswaffen getötet worden sein sollen. Diese Behauptung stammt von der (Hetz-)Initiative "Sportmordwaffen" und ist erkennbar falsch, weil Morde den Sportschützen in die Schuhe geschoben werden, die weder von diesen noch mit Schusswaffen begangen worden. Weil es nicht in das Bild dieser Initiative passt, werden die vielen Toten durch illegale Waffen oder durch andere Gegenstände ausgeblendet. Dennoch dienen leider gerade diese falschen Zahlen der Politik nicht nur in Bremen als Grund, gegen die Sportschützen vorzugehen.
Nunmehr ist mit ähnlicher Begründung die Forderung nach einer Waffensteuer gemeinsam mit der Forderung nach weiteren Verschärfungen in die Bremische Bürgerschaft eingebracht (Antrag vom 18.01.2012, Drs. Nr. 18/20, Anm. d. Red.). In diesem Antrag werden zunächst keine konkreten Zahlen für die Steuer genannt, ebenfalls ist der Entwurf einer gesetzlichen Regelung nicht mehr beigefügt. Jedoch wird eine Vielzahl weiterer Forderungen aufgestellt, die geeignet sind, dem Schießsport den Garaus zu machen.
Worum geht es dabei genau und wie bewerten Sie diese Entwicklungen?
Zunächst geht es um eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes. Die SPD-Fraktion erkennt, dass die Regelung des Waffenrechts allein dem Bund vorbehalten ist. Dementsprechend fordert sie auch die Bremische Bürgerschaft "nur" auf, sich beim Bund für eine Reform des Waffengesetzes einzusetzen. Was hier reformiert werden soll, entspricht altbekannten Forderungen, die vielfach schon als untauglich für eine Verbesserung der öffentlichen Sicherheit angesehen wurden. So fordert die SPD im Einzelnen:
- 1. digitalisierte Benutzungs- und Abschusssysteme zuzulassen,
- 2. ein Verbot der gleichzeitigen Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition in der Wohnung,
- 3. den Nachweis der Lagerungsmöglichkeit außerhalb der Wohnung als Voraussetzung für den Erwerb von Sportwaffen,
- 4. ein Verbot von Großkaliber-Kurzwaffen und
- 5. ein Verbot von Munition mit besonderer Durchschlagskraft sowie langfristig den Ausstieg des Schießsports aus "gefährlicher" Munition.
- 6. eine Begrenzung des privaten Waffenbesitzes,
- 7. die unverzügliche Einführung des Nationalen Waffenregisters und
- 8. für den Erwerb und Besitz von Schreckschusswaffen die Einführung des kleine Waffenscheins mit Überprüfung von Zuverlässigkeit und Eignung.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kohlheim!
Quelle: www.dsb.de