„Der Sport wird an Wert gewinnen“

LSB-Präsident Walter Schneeloch im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung über die Perspektiven des Spitzen- und Breitensports. Nach den Olympischen Spielen in London hat die Kritik an der Sportförderung massiv zugenommen. Zugleich geriet die deutsche Sportorganisation ins Zentrum kritischer Anmerkungen. Walter Schneeloch, Präsident des Landes-sportbundes Nordrhein-Westfalen, über fehlende Millionen, Konzentrationsmaßnahmen im Spitzensport und die Notwendigkeit des Schulsports. Herr Schneeloch, die Kritik an der deutschen Sportbürokratie nimmt zu, passen Landessportbünde eigentlich noch in die Zeit? Fragen Sie einmal in den Sportvereinen nach. Ohne den Landessportbund würde das Sportsystem nicht funktionieren. Ohne unsere Impulse und unsere Steuerung im Spitzen- und Breitensport würde es keine Sportentwicklung geben. Gerade in Zeiten, in denen nicht nur der demographische Wandel die Gesellschaft grundlegend ändert, sind Modelle für lebenslanges Sporttreiben elementar wichtig. Aber das kostet sehr viel Geld, das in den Haushalten kaum noch vorhanden ist? Die finanzielle Lage ist schwierig, langfristige Arbeit im Sport ist es auch. Aber das kann keine Entschuldigung sein. Für die Kultur werden die Haushalte weiter öffentlich aufgestockt, für den Sport ist kein Geld da. Dabei ist der Wert des Sports vollkommen unstrittig. Sport muss aufgrund seiner herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung intensiver gefördert werden. Nicht nur aus der Hirnforschung gibt es längst Belege, wie leistungsfördernd Sport in jungen Jahren ist. Was nichts daran geändert hat, dass nicht nur an den Grundschulen immer noch zuerst die Sportstunden ausfallen. Was zusätzlich unterstreicht, wie wichtig Aufklärung bleibt. Es ist eben nicht egal, ob Sport ausfällt. Sport an Grundschulen ist aber immer noch mehr von der Sportaffinität der Schulleitungen abhängig als von der grundsätzlichen Notwendigkeit körperlicher Aktivität und motorischer Bildung. Diese Debatte beschäftigt uns seit den 70er Jahren. Die Olympischen Spiele in London haben auch die Spitzensportförderung in den Fokus gerückt. Die sich im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen auf niedrigem Niveau bewegt. Wenn die deutschen Opernhäuser mit Hunderten von Millionen an Steuergeldern gefördert werden, finden wir das richtig. Wenn der Sport im Jahr aber 20 Millionen mehr fordert, wird das vom Bundesinnenminister mit den Worten abgelehnt, man brauche nicht unbedingt mehr Geld um effizienter zu arbeiten. Dabei haben doch die Spiele in London mehr als deutlich gemacht, dass es immer schwerer wird, international in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. Insofern ist die Frage der olympischen Athleten, was uns der Spitzensport gesellschaftlich wirklich wert ist, völlig berechtigt. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern um duale Karrieren. Darum, dass Spitzensportler sich parallel um ihre berufliche Bildung kümmern müssen. Wir in Nordrhein-Westfalen haben das früh erkannt und gefördert. Es ist zu Kooperationen gekommen, die in die Zukunft weisen. Dass längst noch nicht genug getan wird, ist unstrittig. Aber es ist doch nicht so, als wäre dieses Problem neu. Gerade weil das so ist, überrascht es, dass die Entwicklung im Sinne der Athleten noch nicht weiter ist? Das ist aber kein Problem des Sports, sondern ein Problem der Politik, auch ein Problem der Wirtschaft. Die Kooperationen reichen nicht aus. Wenn aus Politik und Wirtschaft nicht mehr kommt, kann im Sport nur umverteilt werden. Wenn die Nationale Anti-Doping-Agentur in Bonn eine Million Euro mehr bekommt, muss diese Million andernorts eingespart werden. Das kann und darf nicht sein. Unstrittig ist, dass auch im Sport konzentriert werden muss. Das ist auf Sicht nicht zu verhindern und kann ja auch sinnvoll sein. Wir haben in NRW drei Olympiastützpunkte, da wäre eine Kooperation denkbar. Aber sobald wir diese Diskussion führen, ist der Aufschrei groß, dass da jemand etwas weggenommen werden soll. Das ist Unsinn. Natürlich müssen wir über sinnvolle Konzentrationsmaßnahmen nachdenken. Sind die Deutschen eigentlich weiter überzeugte Ehrenamtler im Sport? Auch das ist ein Problem, weil die Bereitschaft der jungen Menschen, sich langfristig zu engagieren, nachlässt. Die interessieren sich mehr für Projektarbeit über einen gewissen Zeitraum. Das ist in Ordnung und nicht zu kritisieren. Andererseits steigen natürlich auch die Anforderungen an das Ehrenamt. Und nicht jeder ist bereit und in der Lage, noch mehr Zeit zu investieren. Sehen Sie eine Chance für Olympia in Deutschland? Natürlich sehe ich die. Und es ärgert mich, wie Bewerbungen an kleingeistigen Widerständen scheitern, wie in München 2018. Wir haben in London gesehen, wie umfangreich und positiv die Stadtentwicklung beeinflusst werden kann. Wie 1972 in München auch. Wenn heute eine nationale Angelegenheit wie Olympia an kommunalen Parlamenten scheitert, dann finde ich das bedauerlich. Da werden unglaubliche Chancen vertan. Garmisch-Partenkirchen hätte ein modernes Wintersportzentrum werden können, jetzt fahren die Leute woanders hin. Ihre Prognose? Der Sport wird nicht an Wert verlieren, er wird entscheidend an Wert gewinnen. Das Interview führte Christoph Fischer, Westdeutsche Zeitung. (Foto: Andrea Bowinkelmann)